Von Michael Grottendieck in der WN Ausgabe "Hiltrup" am 5. April 2024
"Poether - den Namen kennst du doch", schoss es Mare Berges durch den Kopf. Die Schulbibliothek des Vredener Gymnasiums wurde durchforstet. Von Zeit zu Zeit muss man sich halt von alten Büchern trennen, die niemand in der Schule mehr benötigt.
So nahm Berges auch diese alten Bände in die Hand. Schön ausgestattet sind sie, die Bände der Reihe „Die Heilige Schrift für das Leben erklärt. Alle in Leinen gebunden, ausgestattet mit einem prächtigen Buchrücken und einer filigran gestalteten Figur auf dem Titel. Doch Hand aufs Herz - liest wirklich noch jemand darin? Braucht man diese Bücher noch für die Schule?
Vermutlich wäre der berühmte Daumen nach unten gegangen, wenn der Religions- und Deutschlehrer nicht auf den Namen des früheren Besitzers gestoßen wäre. Der damalige Kaplan Bernhard Poether pflegte offenbar seine Bücher mit einem Stempel zu versehen.
"Meine Familie kommt aus Gladbeck", erzählt Marc Berges, als er in dieser Woche in Hiltrup zu Gast ist. Er kennt natürlich das Bernhard-Poether-Haus, das erst vor Kurzem als ein integrativ ausgerichtetes Stadtteilzentrum neu eingeweiht wurde. Ihm war sofort klar, dass diese Bücher nicht aussortiert werden dürfen.
Gladbeck, Bottrop und auch Gelsenkirchen-Buer - diese Ruhrgebietsstationen in dem kurzen Leben von Kaplan Poether, der 1942 im Alter von 36 Jahren im berüchtigten Konzentrationslager Dachau starb, sind allgemein bekannt.
Von 1936 bis Anfang 1939 war Kaplan Poether in Gladbeck tätig. Doch wie kommt der Bezug zu Vreden zustande?
Auch Marc Berges hatte das in Erfahrung bringen wollen und sich an das Diözesanarchiv in Münster gewandt mit der Frage, ob Studienkollegen oder Freunde Bernhard Poethers irgendwann in Vreden tätig waren. Als Antwort erhielt er, dass es dem Archiv derzeit an Kapazitäten fehle, diese Frage zu recherchieren.
Das ist bekannt: Bernhard Poether war ausgesprochen belesen, er besaß viele Bücher und verfügte bereits in Gladbeck über eine regelrechte Bibliothek. Um so bedauerlicher war es aus Sicht des Hiltruper Arbeitskreises, dass die gesamte Bibliothek verschwunden war. Selbst Pfarrer Spieker kannte bislang kein einziges Buch, das sich im Besitz von Bernhard Poether befunden hatte. Dabei hatte man gerne gewusst, was er gelesen hat, was somit sein Denken bestimmt haben durfte. Allein sein Kelch, der stets in Hiltrup geblieben ist, zeigt an, dass Bernhard Poether ein Lebensprogramm hatte. Ursprünglich wollte er als Missionar nach Russland gehen.
Die Bücher aus dem Georgianum in Vreden zeigen, wie er sich als Seelsorger in Vreden orientierte. Er legte sich offenbar diese neue theologische Reihe zu, die im bekannten Herder-Verlag erschien und auch nicht ganz billig war. Ihm ging es nicht um hochgeistige theologische Abhandlungen. Er suchte einen neuen Zugang zur Heiligen Schrift, der „handfest und lebenspraktisch" für den Alltag als Seelsorger gedacht war. Der Herder-Verlag hob hervor, mit diesen Büchern "bewusst und ausdrücklich die Brücke" schlagen zu wollen „vom Wort Gottes zum alltäglichen Leben". Bernhard Poether hat die Bücher erworben in der Herderschen Buchhandlung von Heinrich Poertgen an der Salzstraße.
Vier Bände werden künftig in St. Clemens aufbewahrt, ein fünfter verbleibt in Vreden. Im Religionsunterricht ist Bernhard Poether regelmäßig ein Thema.